Der Autor und Unternehmer Tom Hodgkinson hat schon einige Bücher veröffentlicht und ist der Gründer und Betreiber der Idler Academy. Insbesondere seine Anleitung zum Müßiggang erfreute sich großer Beliebtheit. Meine erste Begegnung mit Tom Hodgkinson hatte ich in der Dokumentation Frohes Schaffen: Ein Film zur Senkung der Arbeitsmoral. In dieser durchaus sehenswerten Darstellung präsentiert Tom Hodgkinson einige wichtige Lektionen zum Müßiggang.
In einem seiner neueren Werke geht es dagegen um ein anderes Thema und zwar „die Kunst, in kreatives Leben zu führen und dabei Geld zu verdienen: Business für Bohemiens.“ Er wendet sich speziell an diese Gruppe Menschen, da Künstler bekanntlich „mit der schönen Welt des Handels nichts zu tun haben“ wollen. Wie diese Gruppe jedoch trotzdem erfolgreich mit ihrem kreativen Lebensstil Geld verdienen kann, darauf geht er ein. Ein paar seiner Ideen möchte ich Dir in diesem Beitrag vorstellen.
„Kann man tatsächlich ein Bohemien in der Geschäftswelt sein? Der Bohemien – der Freigeist, die kontemplative Seele, der Poet, der Philosoph – schwebt doch sicherlich über der profanen Welt der Wirtschaft und des Wettbewerbs […]. Ja, schon.“
Tom Hodgkinson, Business für Bohemiens, 9
1. Der Freigeist und die Geschäftswelt
Gleich zu Beginn stellt der Autor eine wichtige, wenn auch unbequeme Wahrheit dar: Die meisten von uns „müssen sich so etwas wie einen Lebensunterhalt verdienen. Also haben wir Bohemiens entschieden, nicht für einen Großkonzern zu arbeiten, sondern lieber als Freiberufler, Ein-Mann-Betrieb oder Unternehmer tätig zu werden. Wir wollen etwas Nützliches erschaffen, etwas Schönes, oder beides zugleich, und das verkaufen. (9 f.)“ Ein lohnendes Ziel, dem sich viele Hindernisse in den Weg stellen. Die Grundlagen des Kleinunternehmertums sind geprägt von harter Arbeit. Wer jedoch das Ziel Freiheit anstrebt, muss Verantwortung übernehmen und auch die weniger schönen Seiten der Geschäftswelt wie die Umsatzsteuererklärung, Post, Auseinandersetzungen mit Lieferanten, dem Finanzamt oder anderen Bürokraten in Kauf nehmen.
Bevor es jedoch zu einer Unternehmensgründung kommt, empfiehlt Tom Hodgkinson zuerst der Frage nachzugehen, wie man denn leben möchte? Um es philosophisch auszudrücken: Was ist Deine Vorstellung von einem guten Leben?
„Die Magnaten interessieren sich nicht für einen Buchladen oder ein Café. Sie interessieren sich für 900 Buchläden oder Cafés. Sie wollen Masse. […] Doch wir Bohemiens sind anders. Wir wollen unsere Arbeit und unser tägliches Leben genießen und gleichzeitig unseren Lebensunterhalt verdienen, alles auf einmal. Wir wollen kreativ sein. Uns bedeutet unsere Freiheit mehr als Geld.“
Tom Hodgkinson, Business für Bohemiens, 18
Nicht jeder möchte schließlich ein Unternehmen aufbauen und viele Menschen sind zufrieden damit, einen kleinen Ein-Mann-Betrieb zu führen oder als Freiberufler tätig zu sein. Glückseligkeit ist ein subjektives Gefühl. Jeder Mensch empfindet etwas anderes als Erfüllung. Deshalb ist es umso wichtiger, dieser grundsätzlichen Frage nachzugehen.
Es ist im Grunde eine Reise zu sich selbst. Die Erforschung der eigenen Persönlichkeit. Es gibt Menschen, die eignen sich als Geschäftsführer und andere wiederum nicht. „Tatsächlich hier liegt der Schlüssel, um herauszufinden, worin das gute Leben für einen selbst besteht. (23)“
2. Der Künstler und das Geld
In dem Kapitel „Alles über Geld“ setzt sich der Autor mit einer weiteren unbequemen Wahrheit auseinander. Auch wenn Menschen der künstlerischen Berufe hauptsächlich für ihre Kunst leben, müssen sie sich mit dem Thema Geld auseinandersetzen, denn finanzielle Probleme und Armut sind „gar nicht komisch (29)“. Die Vorstellung Geld zu verdienen, ist etwas Positives. Das gilt auch für einen Bohemien. Verdient das eigene Unternehmen kein Geld, steht einem ein Haufen Stress bevor und eine Bankrotterklärung. Darüber hinaus ist Geld notwendig, um je nach Geschäftszweig ein Unternehmen zu gründen. Wer kaum Betriebskosten hat und zu Hause oder in einem Café arbeitet, hat günstige Voraussetzungen zu beginnen. Die Empfehlung des Autors lautet das Leben in drei Aspekte aufzuteilen: Interessen, Pflichten und Geld.
„Interessen, Pflichten und Geld sind drei Aspekte, die zu einem kontinuierlichen Portfolio gehören. Und im Lauf der Zeit verändert sich ihre Gewichtung.“
Tom Hodgkinson, Business für Bohemiens, 30
Damit gemeint ist, dass das Leben aus unterschiedlichen Phasen besteht und je nach Lebensabschnitt steht etwas anderes im Vordergrund. In diesem Kontext entscheidend ist auch die Frage, wovon man leben möchte. Wer sich gerade in der Aufbauphase einer unternehmerischen Tätigkeit befindet, weiß, dass diese zu Beginn noch nicht so viel abwirft. Deshalb ist es umso wichtiger alle Ausgaben auf ein Minimum zu reduzieren. Für den Autor heißt das: „keine Urlaube, keine Taxifahrten, keine Restaurantbesuche, kein teures Auto, keine Einkaufsbummel. (42)“
Wer sich nebenbei selbstständig machen möchte und noch einem regulären Job nachgeht, behält am besten die Teilzeitbeschäftigung bei, bis genügend Einkommen generiert wird. Darüber hinaus sollte sich jeder im Klaren seien, wer ein eigenes Unternehmen gründen möchte, betritt die Welt der Finanzen. Schulden gehören dazu und sind in diesem Kontext nichts Negatives. Es gilt von daher, sich einen klugen Zugang zum Thema Geld und Finanzen zu erarbeiten, um an Ende nicht pleite zu gehen. Und auf dem Weg dahin empfiehlt Tom Hodgkinson den Weg zu genießen, wenn dieser auch mit vielen Problemen gepflastert ist.
3. Businessplan für Kreative
Einen Businessplan erstellen, ist eine große Herausforderung. Warum? Ganz einfach: Es geht darum, eine Idee zu fixieren, ohne zu wissen, wie die Zukunft aussieht. Etwas Vergleichbares habe ich erlebt im Zusammenhang der Bewerbung für ein Doktorandenstipendium. In diesem Kontext ist man aufgefordert, eine Gliederung für ein Buch abzugeben, das noch nicht existiert. Zugleich weiß jeder der Beteiligten, dass diese Gliederung am Ende ganz anders aussehen wird. Dennoch will das Auswahlkomitee wissen, ob man einen Plan hat.
Der Businessplan ist deshalb ebenfalls unverzichtbar. Er besteht aus unterschiedlichen Teilen.
„Kurz gesagt ist es eine Vorlage, eine Beschreibung dessen, was Sie vorhaben und wie und mit wem Sie es umsetzen wollen.“
Tom Hodgkinson, Business für Bohemiens, 49
Am Anfang steht die Idee. Hier empfiehlt der Autor einen langen Spaziergang zu machen und sich danach ein Blatt Papier zu nehmen und die Gedanken, worin das Unternehmen besteht, aufzuschreiben. Konkret geht es um die Beschreibung der Produkte und Dienstleistungen, die Du anbieten möchtest. Es spielt keine Rolle, ob dabei erst mal nur Unsinn heraus kommt oder nicht. Es geht vor allem um den ersten Schritt, der Idee näher zu kommen. Im nächsten Schritt fordert Tom Hodgkinson dazu auf, das eigene Unternehmen in wenigen Worten zu beschreiben. Welches gesellschaftliche Problem steht im Fokus und wie sieht die Lösung aus? Wie trägt das eigene Produkt oder die Dienstleistung dazu bei?
Der nächste Schritt ist die Beschäftigung mit dem Markt. Hier geht es um die Definition der Zielgruppe und die Frage, wessen Leben möchtest Du mit Deinem Produkt oder Deiner Dienstleistung bereichern? Danach stellt sich die Frage, wer die ganze Arbeit machen soll. Wird es ein Team geben, benötigst Du Mitarbeiter oder machst Du das zuerst allein? Sind diese Fragen beantwortet, geht es um die Beschäftigung mit der Konkurrenz. Auch diese Informationen gehören in einen Businessplan.
Des Weiteren geht es um die Frage, wie das Produkt oder der Service die Zielgruppe erreichen soll? Wird der Vertrieb über den Einzelhandel erfolgen, online, über Zwischenhändler oder andere Unternehmen? Auch Gedanken über die eigene Marke sind Teil des Businessplans. Was soll diese für Gefühle auslösen, wofür steht sie? Schließlich spiegelt die Marke die eigene Persönlichkeit und das Unternehmen wider. Nachfolgend empfiehlt der Autor, über das Gesamtbild und die Finanzen nachzudenken. Letzteres erfolgt bevorzugt in Kalkulationstabellen. Die Gewinn- und Verlustrechnung eröffnet einen konkreten Einblick in die Cashflow-Prognose.
4. Fazit
Einer künstlerischen Tätigkeit nachzugehen und damit Geld zu verdienen – das schließt sich nicht aus. Wer sein eigener Chef sein möchte, wird einige Hürden in Kauf nehmen müssen. Umso erfreulicher ist jedoch die Freiheit und Selbstbestimmung, die einen nach der harten Arbeit erwartet. Auf der Reise dorthin empfiehlt Tom Hodgkinson – und hier ist er ganz Philosoph – sich mit dem Stoizismus zu befassen. Diese Philosophieschule des alten Athens im 4. Jh. vor Christus geht der wichtigen Frage nach, wie man ein glückliches Leben führt. Sie ist eine Stütze, um mit den Widerständen und Problemen umzugehen, die jeder Unternehmer erlebt.
„Von den Stoikern können wir lernen, dass man kleine Misserfolge und Rückschläge begrüßen soll, um besser auf größere Katastrophen vorbereitet zu sein“.
Tom Hodgkinson, Business für Bohemiens, 249
Letztendlich geht es um Folgendes: Die Freiheit zu entscheiden, was man möchte. Wer kein Kleinunternehmer mehr sein möchte, macht etwas anderes. Wer kein Interesse mehr an der Geschäftswelt hat, hat die Möglichkeit, ins Angestelltenverhältnis zu wechseln oder je nach finanzieller Situation ganz auszusteigen. Wer ein neues Unternehmen gründen möchte, kann auch dies tun. Am besten ist es, einen Plan B in der Tasche zu haben, um möglichst flexibel zu bleiben. Aufgeben und Scheitern sind nichts Negatives, sondern eine Erfahrung. Denn wenn etwas nicht funktioniert oder einen unglücklich macht, spricht nichts dagegen, das aufzugeben. Die Lebenserfahrung hingegen bleibt für immer.