In meinem letzten Beitrag habe ich das Thema FIRE besprochen. Heute geht es um die Grundlagen von Financial Independence, Retire Early (zu Deutsch: Finanzielle Unabhängigkeit, frühzeitige Rente) oder die sogenannte „Bibel der Frugalisten“. Das Buch „Mehr Geld für mehr Leben“ von Vicki Robin und Joe Dominguez hat auch meine Sicht auf den Konsum stark verändert und ich bin dankbar, dass ich dieses bereits im ersten Jahr meines Investorendaseins entdeckt habe. Möglicherweise inspiriert es auch Dich, lieber Leser, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Also fangen wir an.
„Was bedeutet es, Ihre Einstellung zu Geld neu zu gestalten? Damit ist nicht gemeint, mehr oder weniger Geld zu bekommen; sondern zu wissen, wie viel Geld für Sie ausreichend ist, um jetzt und in Zukunft ein Leben zu führen, dass Sie lieben. Es bedeutet, nicht länger ein Sklave des Geldes und der Wirtschaft zu sein, sondern bewusst Entscheidungen zu treffen. Jeder schafft das.“
Robin und Dominiguez, Mehr Geld, 18
1. Eigenes Finanzverhalten erkennen
Das Hauptthema, mit dem sich das Buch befasst, dreht sich um die Frage, was ist genug? Um für sich definieren zu können, wo dieses Genug liegt, geben die Autoren einige entscheidende und relevante Fragen als Hilfestellung (25):
- Was macht Sie glücklich?
- Was ist Ihnen am wichtigsten?
- Bei welchen Werten werden Sie nie Kompromisse eingehen?
- Wenn Sie in diesem Augenblick eine Million Dollar hätten, was würden Sie mit Ihrer Zeit anfangen?
- Was könnten Sie aufgeben, um glücklicher zu sein? (Eine Person zählt nicht.)
- Werden Sie jemals genug Geld haben, um sich zur Ruhe zu setzen?
- Wenn jemand heute alle Ihre Schulden bezahlen würde, würden Sie sich diese Grube erneut graben? Wie oder wie nicht?
„Unsere glücklichsten Momente entstehen aus der Liebe und der Zuwendung und wir wollen mehr Zeit für das, was dem Leben eine wirkliche Bedeutung verleiht.“
Robin und Dominiguez, Mehr Geld, 31
2. Die vier FIs beherrschen
Wie die Leser gleich zu Beginn des Buches erfahren, ist finanzielle Unabhängigkeit ein Teil des FI-Denkens. Insgesamt gibt es vier Bereiche, die es zu beherrschen gilt, um eine Balance zwischen Gelderwerb und Glück sowie der Fähigkeit der Freude zu erreichen.
- Finanzielle Intelligenz
- Finanzielle Integrität
- Finanzielle Unabhängigkeit
- Finanzielle Interdependenz
Finanzielle Intelligenz beschreibt die Fähigkeit, objektive Urteile abseits von den eigenen Annahmen und Gefühlen in Bezug auf Geld zu treffen. Auf dem Weg zu finanzieller Intelligenz geht es um die Erkenntnis, wie viel Geld man in seinem bisherigen Leben bereits verdient hat, welche Vermögenswerte (oder Schulden) daraus entstanden sind und wie viel Geld in das Leben gelangt und wie viel es verlässt. Auch setzt man sich in diesem Bereich damit auseinander, ob man mit Geld tatsächlich Glück kaufen kann oder beispielsweise auch, ob es tatsächlich notwendig ist „seinen Lebensunterhalt zu verdienen“.
Finanzielle Integrität bezeichnet „das Erkennen, wie viel Geld und materielle Güter ausreichen, um Sie auf dem Höhepunkt der Lebenserfüllung zu halten – und was schlichtweg überflüssig und Plunder ist. Es bedeutet, alle Aspekte Ihres Finanzlebens im Einklang mit Ihren Werten zu haben. (31)“
Finanzielle Unabhängigkeit beschreibt insgesamt den Zustand einer Unabhängigkeit von Einkommen, schlechten finanziellen Überzeugungen, Schulden oder auch der Unfähigkeit, moderne „Annehmlichkeiten“ sinnvoll zu handhaben. Es geht zusammengefasst um die Befreiung von finanziellen Zwängen.
Finanzielle Interdependenz (= wechselseitige Abhängigkeit) ist ein Prozess, der sich während des Umsetzens einstellt. In diesem erkennen wir, dass „die Unabhängigkeit, die wir herbeisehnen, bedeutet, ausweglose Routinen, Arbeitsplätze, Beziehungen und Denkweisen voneinander zu trennen – und nicht von uns. (31)“
„Die meisten von uns klammern sich so lange wie möglich an die Vorstellung, dass es einen Weg zu leben gibt, der mehr Sinn hat, mehr Erfüllung bringt und mehr Bedeutung hat, aber mit der Zeit, wenn unsere Jobs Rillen in unser Leben schleifen und unsere Tage sich mit To-dos füllen, scheint die Idee, dass wir eine lohnenswerte Existenz haben könnten, dahinzuschwinden.“
Robin und Dominiguez, Mehr Geld, 38
3. Die Geldfalle oder wie wir unser Sterben verdienen
Bei einer Betrachtung des Durchschnittsarbeiters in fast jeder Industriestadt stellen die Autoren fest, dass viele Arbeitende scheinbar keine echte Wahl zwischen Geld und Leben haben. Die meiste Zeit wird ihr Leben davon dominiert, was sie für das Geld tun und das bisschen, was übrig bleibt, nennt man Leben.
„Wie viele Menschen haben Sie gesehen, die am Ende des Werktages lebendiger sind als am Anfang […] Tanzen wir durch die Tür, erfrischt und gestärkt, bereit für einen tollen Abend mit der Familie und den Freunden? Wo ist das ganze Leben, dass wir uns bei der Arbeit vorgenommen haben?“
Robin und Dominiguez, Mehr Geld, 39
Gute Fragen, nicht wahr? Wo bleibt das Leben nach der Arbeit? Statt sich um unsere Gesundheit, unsere Beziehungen und andere relevante Bereiche des Lebens zu kümmern, dreht sich der Großteil des Tages um Job und Geld. „Wir opfern unser Leben für das Geld, aber es geschieht so langsam, dass wir es kaum wahrnehmen. (39)“ Sogar wenn wir alle Notwendigkeiten, viele Annehmlichkeiten und etwas Luxus erreicht haben, bleibt die Trägheit und diese hält uns gefangen in dem bekannten 9 to 5 Muster. Wodurch wird das verursacht?
Vicky Robin und Joe Dominguez sehen mehrere Ursachen. Erstens definieren sich viele Menschen über ihren Job. Sie sind ihr Job. Das wird bereits an der Sprache deutlich, wenn man jemanden fragt, was die Person beruflich macht. Die Antwort beginnt oft mit dem Satzanfang „Ich bin…“ Der eigene Wert als Mensch wird an (Job)Titel, Verdienst, Statussymbolen, Bildungsgrad etc. gemessen.
Zweitens verfügen viele Menschen trotz ihres Jobs oft noch nicht mal über „das traditionelle Symbol des Erfolgs“: Geld. Die Sparquote sinkt sogar. Das wiederum hält die Menschen im Hamsterrad gefangen, weiterhin arbeiten gehen zu müssen.
Drittens ist ein übermäßiger Konsum eine weitere Ursache, die einen gefangen hält. Das Konsumhamsterrad sieht folgendermaßen aus: „[…] wir denken, dass wir arbeiten, um die Rechnungen zu bezahlen – aber wir geben mehr aus, als wir verdienen, für mehr, als wir brauchen, was uns zwingt, wieder zu arbeiten, um das Geld zu verdienen, dass wir ausgeben, um noch mehr Zeug zu bekommen –, was uns zurück zur Arbeit zwingt! (44)“ Das schlimme an diesem Hamsterrad ist, dass wir am Ende nicht das bekommen, was wir erhoffen: Glück und Erfüllung.
„Da stehen wir nun, die größte Wohlstandsgesellschaft, die die Erde bisher erlebt hat, und sind schwer bei der Arbeit. Unser Leben steckt in einer immer währenden Schleife zwischen Zuhause und Arbeitsplatz und unser Herz sehnt sich nach etwas, das direkt hinter dem Horizont liegt oder vielleicht unerreichbar ist.“
Robin und Dominiguez, Mehr Geld, 46
Eine weitere Ursache und die bezieht sich im Grunde auch auf die ersten drei, ist der „allgegenwärtige Verbrauchermythos“, dass mehr besser ist. Das Streben nach mehr kennt keine Grenzen. Deshalb ist es umso wichtiger für sich selbst herauszufinden, was Genug ist. In der Tiefe unseres Wesens wissen wir nämlich, dass man Glück nicht kaufen kann. Viele der besten Dinge – so die Autoren – sind im Leben kostenlos. Deshalb ist es wichtig, ehrlich mit sich selbst und den eigenen Bedürfnissen zu sein. Möglicherweise versuchen wir, „psychische und geistige Bedürfnisse mit dem Konsum physischer Waren zu befriedigen“ (59).
Wie viel Erfüllung Konsum tatsächlich bringt, lässt sich an einer Erfüllungskurve messen. Nachdem grundlegende Bedürfnisse gedeckt sind und erste Annehmlichkeiten folgen, hat das noch Erfüllung gebracht. Die nächste Stufe von Annehmlichkeiten (komfortables Leben) zu Luxus ist wesentlich kleiner und die Veränderung kaum bemerkbar. Für die meisten von uns, gerade in der westlichen Gesellschaft, ist es vollkommen normal, ein Auto zu besitzen. Für viele Teile der Bevölkerung ist das nicht möglich. Die Definition von Annehmlichkeiten und Luxus verschiebt sich je nach Blickwinkel.
Irgendwann kommt der Punkt, an dem wir einer Erfüllungsobergrenze erreichen und dabei nicht erkennen, dass „die Formel Geld = Erfüllung nicht nur aufgehört hat zu funktionieren, sondern angefangen hat, gegen uns zu arbeiten. (61)“ Genug ist also der Höhepunkt der Erfüllungskurve. Wenn wir uns dort befinden, haben wir genug Notwendigkeiten für unser Überleben. Genug Annehmlichkeiten für ein komfortables Leben und Spaß sowie kleinere luxuriöse Erlebnisse. An diesem Punkt haben wir alles, was wir brauchen.
„Genug ist ein furchtloser Ort. Ein vertrauenswürdiger Ort. Ein ehrlicher und selbstkritischer Ort. Dort wird geschätzt und genossen, was Geld in ihr Leben bringt, ohne dass je etwas gekauft wird, das nicht erforderlich und gewollt ist.“
Robin und Dominiguez, Mehr Geld, 62
4. Fazit
In diesem ersten Teil meiner Reflexion über das Buch „Mehr Geld für mehr Leben“ von Vicki Robin und Joe Dominguez möchte ich Dich, lieber Leser, dazu motivieren, Dich selbst zu fragen, was für dich genug ist? Auch dient der Beitrag dazu, sich mit der eigenen Jobsituation und dem Konsumverhalten zu beschäftigen. Im nächsten Blogbeitrag werde ich noch weiter in die „Bibel der Frugalisten“ eintauchen und unter anderem darauf eingehen, was Geld ist und wie man den Punkt Genug erreichen kann. Also bleib dran. 😉