Es gibt viele Wege, sein Leben zu gestalten. Einer davon ist der Verzicht auf Überfluss bzw. die Distanzierung vom Konsumismus. Hierunter fallen auch Bewegungen wie der Minimalismus und Frugalismus. Beide entscheiden sich für einen bewussten Konsum sowie die Nutzung vorhandener Ressourcen.
Der Autor des Buches „Die Kunst, ohne Überfluss glücklich zu leben. Das größte Abenteuer unserer Zeiten“, Josef Kirschner, fragt im Vorwort: „Aber wie sehr entfernt uns unser Drang nach scheinbarem materiellem Wohlstand von unserem wahren Glück?“ Dieser tiefsinnigen Frage widmet er beinahe 200 Seiten. Ein paar seiner Gedanken möchte ich im folgenden Beitrag aufgreifen, denn die Frage danach, was den Menschen glücklich macht, beschäftigt die Philosophie schon seit Tausenden von Jahren.
„Letztlich ist doch das wahre Glück in uns, unabhängig davon, was andere von uns denken, was sie über uns sagen, oder wie wir glauben, dass uns andere sehen.“
Josef Kirschner, Überfluss, 11 (Kindle-Version)
1. Die Flucht vor dem Überfluss
Gleich zu Beginn des Buches wird offensichtlich, dass der Autor dem Konsumismus kritisch gegenübersteht. Seines Erachtens führt der materielle Überfluss dazu, dass wir nicht mehr unterscheiden können, was uns tatsächlich nützt und was uns schadet. Der Glaube daran, dass der Mensch sich alles kaufen könnte, was ihn glücklich macht, ist ein Irrglaube. Dieser Weg entfernt den Menschen – so Josef Kirschner – immer mehr von sich selbst und seinen wahren Bedürfnissen. Um ohne Überfluss glücklich leben zu können, ist eine freiwillige Bereitschaft, sich Beschränkungen und Verzicht aufzuerlegen, notwendig. Zudem ist es wichtig, den Überfluss bei sich selbst zu erkennen und zu bewältigen (18).
Die kritische Einstellung erklärt sich bereits im ersten Kapitel. Für Josef Kirschner ist Überfluss nichts anderes als die Flucht vor der Realität. Und diese Flucht findet statt in einem Kreislauf, der daraus besteht, unermüdlich zu konsumieren und auf der anderen Seite unermüdlich zu arbeiten, um diesen Konsum zu finanzieren. Im Grunde also ein Hamsterrad.
„Die größte Gefahr ist nicht der Wohlstand selbst, sondern das Maß, in dem er unsere Bereitschaft korrumpiert, um unser tägliches Glück zäh und entschlossen zu kämpfen.“
Josef Kirschner, Überfluss, 22 (Kindle-Version)
Das Märchen vom ewigen Wohlstand bleibt nicht folgenlos. Für Josef Kirschner sind es insbesondere vier Folgen, die sich stark auf unser tägliches Leben auswirken (22 f.):
- Wer das tägliche Glück im bequemen Wohlstand sucht, vernachlässigt die Auseinandersetzung mit sich selbst.
- Je weniger wir unsere eigenen Probleme lösen wollen, desto mehr ergreifen wir die Flucht in die Außenwelt.
- Das Streben nach Glück wird durch Ausweichen in die Quantität kompensiert. Das Leben bleibt oberflächlich und der Genuss von dem, was wir bereits haben, bleibt aus.
- Je länger wir in diesem Kreislauf verbleiben, umso geringer wird unsere Widerstandskraft gegenüber der ständigen Verlockung.
„Der Überfluss […] beginnt uns in jenem Augenblick bewusst zu werden, wenn wir zu zweifeln anfangen, ob uns alles das, was wir erarbeitet und angeschafft, aufgebaut und zusammengerafft haben – ob uns das wirklich an jedem Tag des Lebens glücklich macht.“
Josef Kirschner, Überfluss, 24 (Kindle-Version)
Um zu erkennen, ob sich der Überfluss auf negative Weise ins eigene Leben geschlichen hat, empfiehlt der Autor, über folgende Fragen nachzudenken (24 f.):
- Hat mir mein Besitz im vergangenen Jahr eher Freude oder Sorgen bereitet?
- Ist die Angst, dass sich das, was ich bin und besitze, wieder verlieren könnte, größer als die Freude, die es mir täglich bereitet?
- Bin ich frei genug, wirklich so zu leben, wie ich es möchte? Oder hindert mich das, was ich bin und tue, nicht immer wieder daran?
2. Der freiwillige Verzicht
Verzicht und Überfluss sind zwei Seiten einer Medaille. Ohne den Gegenpol ist es nicht möglich, das rechte Maß für sich selbst herauszufinden. Es geht auch nicht um den moralischen Zeigefinger, sondern um die bewusste Entscheidung, eigene Maßstäbe für sich selbst festzulegen.
„Wer nicht selbst aktiv wird, ist ständig damit beschäftigt, auf Impulse von außen zu reagieren.“
Josef Kirschner, Überfluss, 32 (Kindle-Version)
Um das plakativ zu erläutern, führt Josef Kirschner das Thema Hunger an. Aus seiner Beobachtung essen Menschen oft aus Gewohnheit oder auch zu Uhrzeiten, die für den Körper ungeeignet sind, statt auf den Hunger zu hören und den Körper dann mit Nahrung zu versorgen, wenn er diese auch tatsächlich braucht. Auch essen wir oft Nahrungsmittel, die den Körper krank machen, indem wir ihm überflüssige Nahrung zuführen. Hier gilt es das eigene Leben aktiv in die Hand zu nehmen und selbst zu entscheiden, statt auf andere zu hören. Dabei fungiert freiwilliger Verzicht bzw. die Selbstdisziplin als Regulator.
„Je größer die Freiheit ist, die wir für uns erlangen wollen, umso mehr Selbstdisziplin müssen wir üben.“
Josef Kirschner, Überfluss, 35 (Kindle-Version)
3. Die Freude an der Selbstdisziplin
Wie kann man also dem unnötigen Überfluss widerstehen? Die Antwort des Autors lautet: Selbstdisziplin. Diese kann trainiert werden durch Übung. Wozu Selbstdisziplin fragst Du Dich? Diese ist notwendig, um aus der Abhängigkeit auszubrechen und seinen eigenen Weg zu gehen. Das Streben nach individueller Freiheit erfordert nämlich Mühe.
„Je mehr wir uns dem unterordneten, was Obrigkeit und Gesellschaft, Vorgesetzte und Angst vor Prestigeverlust uns diktieren, umso mehr verloren wir das Gefühl für unsere natürlichen Wünsche und Verhaltensweisen.“
Josef Kirschner, Überfluss, 36 (Kindle-Version)
Im Grunde geht es um die eigene Einstellung. Wer eine Veränderung erreichen möchte, kommt nicht umhin, sich mit seiner Einstellung gegenüber verschiedenen Dingen auseinanderzusetzen. Auch geht es darum, für sich festzulegen, welchen Weg man einschlagen möchte. Und genau hier ist Selbstdisziplin erforderlich, denn sie hilft uns, bei unserem Entschluss zu bleiben und unseren Standpunkt gegenüber anderen zu vertreten. Ein regelmäßiges Training der Selbstdisziplin macht mit der Zeit unabhängig von fremden Verhaltensvorschriften und führt zu positiven Erfahrungen. Auch stärkt es das Selbstbewusstsein. Und je stärker das Selbstbewusstsein, desto einfacher wird es, dem Überfluss zu widerstehen.
4. Fazit
Mit seinem Buch „Die Kunst, ohne Überfluss glücklich zu leben. Das größte Abenteuer unserer Zeiten“ regt Josef Kirschner dazu an, sich mit dem eigenen Konsum zu beschäftigen. Sein eigenes Verhalten zu hinterfragen, hilft dabei zu überprüfen, ob man sich auf dem richtigen Weg befindet und sein Leben nach seinen Vorstellungen lebt.
Dass bewusster Konsum zu mehr Freizeit und einem veränderten Fokus führt, habe ich selbst vor einigen Jahren erfahren. Ende 2018 erreichte mein Konsumismus einen Höhepunkt, an dem ich jegliche Lust auf materielle Dinge verloren habe. Während der Promotionszeit hat sich nämlich ein ungesundes Verhalten entwickelt. Ich hatte die Gewohnheit, mich nach ein paar fertig geschriebenen Kapiteln zu belohnen. Ein guter Zeitpunkt also für eine Challenge. Ich beschloss also ein Jahr lang nur Notwendiges zu kaufen, also ein „No-Buy-Year“ einzulegen. Diese Fastenzeit hat nach zwei Monaten dazu geführt, dass ich zufällig einen Artikel von der Bloggerin Madame Moneypenny gelesen habe. In diesem hat sie kritisiert, dass sich Frauen viel zu wenig mit dem Thema Finanzen beschäftigen und auch über ETFs (Exchange Traded Funds) gesprochen. Ich fühlte mich ertappt, denn auch ich hatte mich bis zu dem Zeitpunkt wenig bis gar nicht mit dem Thema Investieren beschäftigt. Sparen ja, aber investieren? Da ich in dem Jahr kein Geld mehr für unnötigen Konsum ausgab, hatte ich ein erhöhtes Sparpotenzial und so dauerte es nur noch einen Monat, bis ich mein erstes Depot eröffnete. Aus einem Jahr wurden schließlich anderthalb und mein Konsumverhalten hat sich seitdem verändert. Da ich auch nicht mehr damit beschäftigt war, irgendwas in einem Onlineshop zu suchen oder in ein Einkaufscenter zu fahren, hatte ich mehr Freizeit und Energie für neue Hobbys sowie Menschen, die mir wichtig sind.
Moralisch an das Thema Konsumismus ranzugehen, das halte ich wie der Autor ebenfalls für verkehrt. Jeder entscheidet für sich selbst, wie er sein Leben gestalten möchte. Materieller Wohlstand ist etwas Tolles und Erstrebenswertes. Konsum, der das eigene Leben bereichert oder es sogar erleichtert, ist es ebenfalls. Die Frage, um die es hier geht, ist, wie geht man damit um? Wo ist die Grenze? Was bereitet Freude und was fühlt sich nach Ballast an? Konsumiert man etwas, weil es die eigene Lebensqualität erhöht oder aus anderen Gründen?
Dieser Beitrag ist wie auch andere bisher dazu da, Anregungen zu schenken. Ich freue mich auf Deinen Kommentar! Vielleicht möchtest Du mir hier verraten, wie Deine Konsumgewohnheiten so aussehen??